Ralph Langholz: Das Freistart-Glückslos

Ralph Langholz ist schon seit vielen Jahren regelmässiger Gast beim ARQUE-Lauf und hat für uns mal zusammengefasst, wie man sich so auf einen geschenkten Zürich-Marathon vorbereitet.

Warum kein Trainingsplan auch ein erfolgreicher Plan sein kann – Chapt. 1

Ralph Langholz in Frankfurt beim Lufthansa-Halbmarathon vor dem WaldstadionDas sportliche Jahr hatte bereits im Dezember 2015 mit einer, seit 27 Jahren vor mir her geschobenen und jetzt endlich vollzogenen Laufanmeldung begonnen: Die Teilnahme am Rennsteigmarathon lautet das große Ziel im Mai 2016. Jetzt und endlich wollte ich es angehen. Auch zusammen mit einem Sportsfreund der, noch nicht so lange aber ebenfalls dieses sportliche Ziel avisierte.

Nun muss man dazu sagen, dass ich eigentlich kein „geborener“ Läufertyp bin. Etwas untersetzt, nicht der leichtfüßige von der schnellen Sorte der Straßenhasen mit persönlichen wie auch Eventrekordzeiten, bin ich der Typ „Normalläufer“, der die Durchschnittszielzeit der gesamten Zielankünfte von Laufevents eher nach oben drückt als herausragend macht. Aber mich zeichnen vier Eigenschaften aus:

  • Ich habe richtig Spaß am Laufen,
  • brauche dieses wie Luft zum Atmen, auch wenn es mit zunehmendem Alter immer wieder einmal weh tut.
  • Ich habe „Durchstehvermögen“ die Ausdauer betreffend
  • und, ich habe keinen Trainingsplan. Trainingsplan und Spaß sind Aspekte, welche sich aus meiner Sicht rigoros wiedersprechen.

Mit diesem „planlosen“ Sportengagement habe ich inzwischen in 16 Jahren 13 Marathons (davon 2x für den ARQUE e.V. als Freistart in Hamburg 2014/ Bonn 2015), ca. 50 bis 60 Halbmarathons und 20-km-Läufe sowie in der Summe etwa 19tausend Kilometer, es lebe die Statistik, zurückgelegt.

Gut, zugegeben, so eine Art Plan habe ich dann doch auch. Und der hieß für 2016: Januar: 80 Laufkilometer/ Februar: 120 Laufkilometer/ März: 150 Laufkilometer und  nun also bis Zürich im April weitere 100 Laufkilometer. Keine Intervallläufe, keine Spezialläufe, kein Fitnessstudio (trotz teilweise fürchterlichem Winterwetter) keine Extras. Viele Kilometer, Kilometer in der Natur von 11 km Hausstrecke gemütlich, über einen Halbmarathon bis zu 25 km im Bereich der Schwäbischen Alb im Auf und Ab der Weinberge. Bei geschäftlichen Reisen reist stets der Laufbeutel mit.

Soweit der Plan ohne Plan

Dann kam der 20.02.2016 und Michael Lederer mit einem unmoralischem Angebot: „just in time darf ich Ihnen noch einige horizontale, diagonale und vertikale Leckerbissen in Form von Freistarts anbieten: u.a. mit dem  24.04.2016, Zürich Marathon. Davor stellte er allerdings, um es nicht zu einfach zu machen, einige verzwickte Fragen mittels Rundmail wie:

  1. 1992 sprintete er über 5000 m zum olympischen Gold. In welcher Zeit absolvierte er die letzten 100 m und wer war der Glückliche?
  2. Ende des 19. Jahrhunderts entstand in Barcelona eine eigene Form des Jugendstils, der Modernisme. Ihr prominentester Vertreter ist Antoni Gaudí, der in Barcelona gelebt und unterstützt durch den Industriellen Eusebi Güell gearbeitet hat. Von ihm sind etliche berühmte Gebäude zu besichtigen. Nennen Sie 3 davon……

Insgesamt 8 an der Zahl. Also kurz überlegt …. Zürich passt in den Terminkalender … also los. Recherchiert, beantwortet und am nächsten Tag an Michael versandt. 1 Woche später kam von Michael die freudige Nachricht:

Lieber Ralph, …und ab geht es nach Zürich am 24. April 2016 zur 14. Auflage.

Dazu gehört noch ein Übernachtungsgutschein (Nr. 417 einzulösen bis 31.12.2016) im Rezidor Park Switzerland AG Park In Zürich Airport im DZ für 1 Nacht inkl. Frühstück. Ich maile Dir morgen gleich noch beide Dokumente zu. Am besten Du rufst auch gleich im Hotel an, da diese Gutscheine nicht auf einen Termin gebucht sind, sondern je nach Verfügbarkeit eingelöst werden können. Aber ich denke mit dem 24. April müsste das noch klappen.

Alles kurzfristig, zu kurzfristig. Am Folgetag sandte ich per Mail den Gutschein nach Zürich um mich anzumelden. Die Schweizer Gründlichkeit sprach jedoch dagegen: Bis zum 1. März muss der „Originalgutschein“ per Post eingehen. Tja, was nun? Einige Tage, viele Mails und Telefonate später kam die erlösende Nachricht als Bonus für die Hartnäckigkeit aus Zürich:

Hallo Ralph, Wir melden dich an aber als Pendet. Wir warten auf deinen Originalen Gratisstart, sobald er da ist bist du definitv angemeldet.

Das mit dem Pendet weiß ich heute noch nicht, was das heißt..! Na gut, also auf ging es. Hotel reserviert, ohne Probleme. Bahn gebucht, wunderbar durchgehend von Frankfurt nach Zürich Samstagmorgen in der Nacht und retour durchgehend sogar bis Hanau Sonntagabend. Perfekt.

Vorbereitung. Jetzt hieß es Gas geben. Und Laufen.

Next Stop: 13.03.2016 Lufthansa Halbmarathon in Frankfurt als Meilenstein und Test für die Fitness.

Mit einem Ergebnis von 02:08:29 haderte ich erst. Nach dem Lesen der ersten Laufberichte und der allgemeinen und  Spitzenläuferergebnisse, demnach die klare aber eisige und böige Wetterlage die Laufzeiten im Schnitt um 5 Minuten verlängert hatte, war ich dann doch nicht unzufrieden. Das passte doch.

Einige verregnete Wochen und viele Trainingsläufe später, immer noch ohne Plan, standen mit dem letzten Lauf am 20. April 2016 bei schönem Frühlingswetter 506 Trainingskilometer in der Bilanz. Eine beruhigende Größenordnung aus meiner Sicht. Zürich konnte kommen.

Zürich

Und der Zug fuhr überaus pünktlich am Samstag gegen 10:00 Uhr Zürich Hauptbahnhof ein. Durch eine noch verschlafene, sehr mondäne und prächtige Stadt, die Bahnhofstraße und ein Stück am Mythenquai (Straße am Zürichsee) entlang führte der Weg zur Anmeldung in der Saalsporthalle. Das Wetter: Leider eher Aprilhaft als Maiglücklich. Unterlagen geholt und dann, was allen abgeraten wird vor großen Läufen: Stadtbummel kreuz & quer. Alte Fachwerkgassen, mondäne Gründerzeitvillen, Luxusboutiquen, Sternehotels und Preise welche unsere Lebenshaltungskosten in deutschen Landen erheblich überstiegen. Aber wir waren in Zürich, der 3teuersten Stadt der Welt.

Am Nachmittag dann in Richtung Flughafen mit müden Füßen zum Hotel. Just-in-time denn es fing an zu regnen und wollte nicht mehr enden. Was für Aussichten auf den morgigen Tag! Also, Füße hochlegen und den Tag ruhig beenden.

Ralph Langholz mit dem Zürisee im HintergrundDer 24. April beginnt mit einem wilden Grau am frühen Morgen. 6:00 Uhr Frühstück und dann zur Bahn Richtung Zürich. Dank Schweizer Pünktlichkeit und stadtnahem Startbereich bin ich frühzeitig startklar. Hinter mir der Züricher See im drohenden Dunkelgrau.

30 Minuten vor dem Start beginnt es stark zu Schauern und zu winden, mit Hageleinlagen. Der Gott der Winde und des Wetters versuchte wohl die Läufer abzuschrecken. Und dieser Wechsel, mit Einlagen von Schneegestöber bei frostigen 2°C hielt bis. Ca. 10:30 Uhr an, also 2 Stunden laufen in „prägnantem Aprilwetter“. Zusammen mit über 8.000 hartgesottenen Gleichgesinnten (Cityrun – 10 km/ Teamrun – Staffelmarathon), davon etwa 2 ½ 000 Marathonläufern.

Etwas bei der Halbmarathondistanz schließen sich die himmlischen  Schleusen und öffnet sich der Himmel für Sonnenblicke. Das Grau hebt sich und gibt über dem See, ein herrliches Laufpanorama, die schneebedeckten Berg- und Baumgipfel den Blicken des erleichterten Läufers frei. Was für eine Befreiung. Es beginnt Spaß zu machen und das Ende mit 4:36:21 Zielzeit versöhnt mit dem Wetter zuvor.

Duschen & Umkleiden im städtischen Strandbad Mythenquai (historisches Gebäude), Stärkung in einer schönen Lokalität in der jetzt sonnigen Züricher Altstadt und schon hieß es, per Zug bequem wieder die Heimreise anzutreten. Mit unvergesslichen Eindrücken von einer wunderschönen Stadt & Laufstrecke, begeisterten Zuschauern, einer super Organisation und Versorgung sowie absoluten Wetterkapriolen.

Ralph Langholz

Hanau