ARQUE Läufer Ulrich Tomaschewski auf Abwegen – in Berlin

Entlang der Berliner Mauer 170 Kilometer in 3 Etappen

9. bis 11. November 2012

Auch als Läufer hat man Ziele und Visionen im Kopf. Das gilt für Läufe in bestimmten Kontinenten, Städten, Landschaften und Regionen aber auch für die Streckenlänge. Eines meiner Ziele ist es, an einem Etappenlauf über eine Ultrastrecke teilzunehmen. An mehreren Tagen hintereinander Distanzen über Marathon zu laufen. Allerdings ist eine Lauf wie der Transeuropalauf oder der Deutschlandlauf dann doch ein paar Nummern zu groß für mich. Es sollte sich schon im Rahmen meiner Möglichkeiten bewegen.

Im Januar hatte ich dann den Flyer in der Händen. „Die MauerwegTour“ entlang der ehemaligen Berliner Mauer, 170 Kilometer in drei Etappen. Das war’s, meinem Leistungsvermögen angepasst, mit einer Zeitvorgabe von 8 Minuten 30 Sekunden den Kilometer. Einen Haken hatte der Lauf, denn es gab eine Terminkollision mit dem ARQUE-Lauf 2012. Laufträume soll man sich erfüllen und somit hatte die MauerwegTour Priorität.

Mauerweglauf 005
Eva Hassel und Ulrich Tomaschewski vor der Start zur ersten Etappe

Meine Trainingspartnerin Eva Hassel, mit der ich die langen Einheiten laufe, fing sofort Feuer und Flamme und somit meldeten wir uns dann im Januar an. Da nur 70 Etappenläufer zugelassen waren, war zeitiges Anmelden notwendig. Nun wurde die Laufsaison entsprechend geplant. Allerdings fing es für mich nicht gut an. In Kevelaer beim Marathon am 7. Januar noch verhalten. Mit 4:26:24 war ich im Ziel und hatte Probleme mit der linken Wade. Das sollte noch schlimmer kommen und bei meinen „Traditionslauf“ den 50 Kilometer in Rodgau konnte ich erst gar nicht antreten. Zwischenzeitlich ließ ich eine Rückenbehandlung nach Dorn und Breuß über mich ergehen und siehe da die Schmerzen waren weg. Am 5. Februar machte ich dann einen zaghaften Versuch in Bad Füssing beim Thermen Marathon. Keine Schmerzen, dafür fehlendes Training aber immerhin ich kam bestens gelaunt mit 4:28:39 ins Ziel. Das Lauftraining wurde nun wieder intensiviert und mehrer Marathon und Ultraläufe eingeplant. Es lief richtig gut für meine Verhältnisse, Wien in 4:01:18. Ich war zwar schon bei 3:57:xx vor dem Ziel „musste“ aber auf eine passende Zielzeit warten. Als Teilnehmer bei „Ziel-60-Marathonlauf“ kommt das schon mal vor. Im ersten Halbjahr waren es dann 10 Marathon und zwei Ultra. Die zweite Jahreshälfte begann mit dem COMRADES Marathon in Südafrika, diese Jahr der „Down-run“ von Pietermaritzburg nach Durban. Die 89,2 Kilometer lief ich in 10:35:44 und war damit zum achten mal ins Ziel gekommen. Bis zur MauerwegTour hatte ich dann 22 Marathon und vier Ultras gelaufen. Unter anderem waren es der erstmalige ausgetragene Ultra über 56 Kilometer in Monschau, der Jubiläumsmarathon in Stockholm sowie Chicago und Köln Marathon.

Ich fühlte mich gut vorbereitet und am 8. November ging es dann gemeinsam mit Eva nach Berlin. Angekommen in Berlin gab es erst mal was zu futtern und anschließend das Briefing zum Lauf. Der Veranstalter hat sich viel Mühe gegeben und gab eine umfassende Information. Als Newcomer in der Etappenlauf-Szene war das für mich hoch interessant. Es wurde nichts außer acht gelassen, wer nicht ins Ziel kam hatte meines Erachtens keine Ausrede mehr, es lag dann an einem selber. Die Unterbringung war in Jugendherbergen in Zweier- oder Vierer-Zimmer. Da kamen Erinnerungen an die Schulausflüge auf. Lange ist es her das ich zum letzten mal in einer Jugendherberge nächtigte. Bevorzuge ich doch eher Hotels der gehobenen Klasse. Aber die Gemeinschaft der Läufer war phänomenal und ließ das verschmerzen.

1. Etappe: Von Berlin-Kreuzberg nach Wannsee (62km)

Start war für 8:00 vorgesehen und die Läufer kamen gemütlich zum Startpunkt. Von wegen Hektik, es ging sehr gelassen zu. Man unterhielt sich und neue Bekanntschaften wurden geknüpft. Es gab eine offizielle Ansprache vor dem Start von einem Bundestagsabgeordneten und danach wurde jeder Läufer aufgerufen und damit seine Anwesenheit zum Start überprüft. Das Aufrufen der Läufer fand vor jedem Start statt. Dann ging es los 62 Kilometer bis zum Wannsee. Zuerst noch durch die Stadt und hier waren wir Läufer angewiesen uns an die Straßenverkehrsordnung zu halten. Also Stopp bei Roter Ampel und los bei Ampelmännchen Grün. Das klappt, zumindest bei den meisten Läufern. Später dann wurde es mehr und mehr ländlicher und ruhiger. Auf der Strecke gab es acht Verpflegungsstellen die alles hatten was der Läufermagen begehrt. Einen Happen essen, die Trinkflasche auffüllen und dabei ein paar nette Worte mit den super motivierten Helfern wechseln. Es bildeten sich kleinere Gruppen die quatschend miteinander liefen. So vergeht die Zeit und die Kilometer werden mehr. Es war trocken die Temperatur bei angenehmen 12 Grad und wenig Wind. Bei Kilometer 45 lief ich alleine vor mich hin und schaute in die Natur. Leider war der Boden hier sehr uneben und an genau so einer Stelle hat es mich dann schön auf den Asphalt gehauen. Beide Hände aufgeschürft, Knie blutend und Schmerz in der Hüfte. Ein netter Radfahrer leistete erste Hilfe und frisch verpflastert ging es humpelnd weiter. Der Schmerz ließ nach und die Laufbewegung wurde auch wieder flüssiger. Nach 7 Stunden 22 Minuten war ich dann am Wannsee im Ziel.

Nach Duschen und Essen gab es eine Informationsveranstaltung mit dem Schirmherrn der MauerwegTour dem Europaabgeordneten Michael Cramer. Die gezeigten Bilder und sein Bericht dazu wirkten auf mich und die anderen Läufer bedrückend. Was für unglaubliche und unwürdige Verbrechen wurde an der Grenze begangen an Menschen die nichts anderes als die Freiheit wollten. Dieses nicht vergessen zu lassen ist eines der Ziele von dem Lauf. Mir wurde das klar und ich bin dankbar an dem Lauf teilnehmen zu dürfen.

2. Etappe: Von Wannsee nach Hennigsdorf (66km)

Heute kommt die längste aber auch schönste Etappe über 66 Kilometer. Gestartete wird nun in zwei Gruppen. Um 7:30 Uhr die langsamere Gruppe, klar das ist meine, und 30 Minuten später die schnelleren Läufer. Es fast ausschließlich durch den Wald, und an vielen Seen vorbei. Erster Höhepunkt war Schloss Cecilienhof. Hier war auch eine Verpflegungsstelle eingerichtet. Das Schloss und der dazugehörige Park den wir durchquerten waren ein einmaliges Erlebnis. Auch wenn wir wieder in kleinen Gruppen liefen, fiel das Laufen heute schwerer. Es gab auch noch ein paar bissige Anstiege zu bewältigen. Die letzten Kilometer fing es an zu regnen und damit sank meine innere Stimmung gegen null. Es ist einfach unglaublich wenn man die letzten Kilometer durch Hennigsdorf läuft und das Ziel kommt nicht. Das war eine kleine Unendlichkeit bis dann endlich in der Dämmerung das Ziel auftauchte. Nach 8 Stunden und 13 Minuten war ich pudelnass, schlapp aber glücklich im Ziel angekommen.

3. Etappe: Von Hennigsdorf nach Kreuzberg (45km)

Das Läuferfeld ist kleiner geworden. Die ersten beiden Etappen hatten doch zu Aufgaben geführt. Gut ist wenn der Läufer akzeptiert das seine aktuelle Verfassung einen weiteren Ultra nicht zulässt. Zu Beginn ging es der gestrigen Laufstrecke entlang, nun konnte ich mir die als endlos lange Strecke durch Hennigsdorf  bei Tageslicht anschauen. Die ersten Laufschritte waren etwas staksig, da war der Lauf vom Vortag noch in den Beinen. Aber nach ein paar Kilometer war das weg. Es lief rund, bei angemessenem Tempo. Zuerst verlief die Laufstrecke noch durch den Wald und es war bis auf ein paar Spaziergänger am Sonntagmorgen sehr ruhig. Nach der Hälfte der Strecke kamen wir aber mehr in die „Zivilisation“ zurück. Bei sonnigem Wetter waren entsprechend viele Berliner „auf de Beene“. Da war an einigen Stellen schon Slalom angesagt. Als wir dann entlang dem Regierungsgebäude und Brandenburger Tor liefen wurde mir klar das Berlin eine Weltstadt ist. Unmengen von Touristen und viele Fremdsprachen waren zu hören. Wir waren vom Veranstalter beim Briefing darf hingewiesen worden das es hier knifflig werden kann mit der Erkennung der Markierungen. Zum Glück liefen wir die letzten Kilometer in einer Dreiergruppe und Conny war eine Berlinerin die uns sicher durch die Straßen steuerte. So kamen wir dem Ziel immer näher und mich erfasste Stolz und Wehmut. Stolz darauf diesen Etappenlauf erfolgreich zu beenden und Wehmut das mit dem Überqueren der Ziellinie das Ende dieses wunderbaren Laufes ist. Stolz liefen wir zu dritt über die Ziellinie und ich hatte dabei ein unbeschreibliches Glücksgefühle.

Das Ende

Nach dem Zieldurchlauf: Duschen, Massage und Essen. Anschließend gab es eine Siegerehrung bei dem jeder Finisher namentlich aufgerufen und geehrt wurde. Jeder bekam einen herzlichen Applaus. Von 71 gestarteten Teilnehmern erreichten 50 das Ziel. Es siegte Rainer Koch bei den Herren (13h 53min) und Kerstin Fenzlein bei den Damen (18h 22min). Meine Zeit über die 170 Kilometer war 21h 8 min, Eva meine Trainingspartnerin benötigte 20h 12min.

Am Abend beim Italiener gab es lecker Pasta und Rotwein. Am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Crailsheim mit schweren Beinen und phantastischen Erinnerungen im Kopf.

ARQUE-Lauf 2013

Der Termin ist im Kalender fest eingeplant und ich werde wieder als „Pace-Maker“ zur Verfügung stehen.

… wir sehen uns in Kelkheim !